Sonderprojekt Ostenturm - Regensburg

Das Vorhaben

Die Gesellschafter des businessPARKs Regensburg, Konrad Habbel und Alexander Ruscheinsky, entwickelten die Idee, auf ihrem Gelände direkt an der Osttangente, einen multifunktionalen Büroturm als städtebauliche Dominante zu errichten. Das Projekt wurde in Zusammenarbeit mit dem Architekturbüro Huber und Partner, Regensburg, zu einem konkreten Planungskonzept weiterentwickelt.

 

Die Idee des Ostenturms als öffentlicher Prozess

Im Hinblick auf den Anspruch Regensburgs als Unesco-Weltkulturerbe-Stadt kann die Diskussion um dieses Bauvorhaben selbst als kultureller Prozess definiert werden. Durch das Einbringen dieser Idee in die breite Öffentlichkeit wurde Stadtgestaltung als kulturelle Dimension bewusst gemacht. Der Kulturbegriff selbst wird damit zum Diskussionsgegenstand.

Die Entwicklungszeit betrug unter Einbeziehung der UNESCO sechs Jahre, da die Ausarbeitung des Vorhabens mit der Innenstadt der Weltkulturerbe-Stadt Regensburg abgestimmt werden musste.

Die Entscheidung fiel durch einen Architektenwettbewerb. Als Sieger gingen die Architekten Hanns J. Huber (Regensburg) und Dr. Rudolf Hierl (München) hervor. Der Entwurf war so überzeugend, dass sämtliche Jury-Mitglieder, Vertreter der Politik, des Bauamtes, der Architekten und die Bauherrenvertreter, das Ostenturmtriple (siehe Bilder unten) auf Platz 1 gewählt haben.

Regensburger Unternehmer von heute knüpfen an die Baukunst ihrer Vorfahren an

Kirchtürme haben alle deutschen Städte, Rathaustürme viele, und in einigen Städten haben sich auch noch Wehrtürme der mittelalterlichen Befestigungsanlagen erhalten. Türme sind stets Bauwerke mit Öffentlichkeitscharakter und ein charakteristisch städtisches Phänomen. Doch Türme weisen auch immer über ihre rein praktischen Funktionen hinaus: Sie sind Symbole und zeigen das Vermögen, die Leistungsfähigkeit und auch den Anspruch ihrer Erbauer, wie ihrer Besitzer und der Stadt.

Der Regensburger Turmreichtum war von Beginn an ein Markenzeichen der Stadt. Doch nicht Wehrtürme, Stadttürme und nicht einmal die überaus vielen Kirchtürme würden diese Stadt über andere hinausheben. Es sind die sogenannten Patriziertürme, die Regensburg zu einer besonderen Stadt in Deutschland machen:

Turmbauten hauptsächlich des 12. und 13. Jahrhunderts, die als Wolkenkratzer des Mittelalters regelmäßig neben burgartigen Wohngebäuden in der Altstadt stehen. Reiche Bürger, Kaufleute und Geschäftsleute, die die wirtschaftliche Kraft der Stadt bildeten, ahmten adelige Baukultur nach, mit hohen Türmen, die in der Stadt keine andere Funktion hatten, als weithin vom Anspruch, Ehrgeiz und Gestaltungswillen ihrer Besitzer zu künden, von ihrem wirtschaftlichen, kulturellen und politischen Können und Wollen. Dieser Wirtschaftsadel stand international und in Regensburg selbst untereinander im Wettbewerb. Der Wettbewerb der Turmhöhen in der Stadt ist heute noch sichtbares Zeugnis davon. Dass es nördlich der Alpen nur in Regensburg diese Patriziertürme gibt, mag nicht nur ein Fingerzeig auf die einstige Rolle als eine der führenden Handelsstädte in deutschen Landen sein, sondern auch Beleg für die Internationalität der Wirtschaftsbeziehungen. Regensburger Geschäftsleute haben sich italienische Städte zum Vorbild für städtische Baukultur genommen, weil Italien im christlichen Abendland damals führend war in Sachen Wirtschaft, Kunst und Kultur.

Soviel zu den historischen Regensburger Türmen. Das neue, das heutige Regensburg definiert sich nach wie vor über diese Geschichte und sein tatsächlich einmaliges Stadtbild, welches freilich die unverwechselbare Altstadt im Fokus hat und das sehr verwechselbare Neu-Regensburg verschämt ausblendet. Was andere Städte geschafft haben, nämlich mit ihrer Gegenwartsbaukultur auch für das Hier und Heute Dominanten und neue Wahrzeichen zu setzen und damit für Unverwechselbarkeit zu sorgen und ihren Anspruch auf Zukunft zu erklären, lässt in Regensburg bislang noch auf sich warten – zunächst wegen Geldmangels und dann wohl auch begründet in einer Mischung aus nacktem baulichen Nützlichkeitsprinzip und einschüchternder Ehrfurcht vor dem Welterbe dieser grandiosen Altstadt.

Doch die Stadt ist nicht mehr bettelarm, sie ist wirtschaftlich, kulturell und im Selbstbewusstsein ihrer Bürger wieder erstarkt. So hoch hinaus aber wie unsere Vorfahren, die Geschäftsleute des Mittelalters, haben wir uns bislang nicht wieder getraut. Dabei hat kaum eine andere Stadt so viel Recht und so viel Tradition, sich Türme zu bauen wie diese Stadt der Türme. Die alten Türme sollen dabei nicht in Bedrängnis geraten und nicht klein gemacht werden. Mit einem neuen Turm des neuen geschäftigen Regensburgs, dessen Handels- und Gewerbetreiben sich weit über die Grenzen der mittelalterlichen Stadt hinausgebreitet hat, soll im großen Ehrfurchtsabstand zu den Leistungen der Vergangenheit, ein Symbol für neuen Anspruch und Ehrgeiz entstehen und an der östlichen Peripherie der Stadt eine auch ästhetisch anspruchsvolle Dominante setzen: selbstbewusst aufragend und aufregend, öffentlich und öffentlich zugänglich, weithin sichtbar und Weitblick gewährend, mit einer Aussicht von der Walhalla über das Donautal bis zu unseren Nachbarn im neuen großen Europa. Regensburg wurde im Mittelalter reich und groß durch seine Verbindungen in den Osten Europas. Die Stadt war geistiges und kulturelles Zentrum, eine Kulturhauptstadt, nicht nur auf ein Jahr beschränkt. Im Osten Regensburgs, wo aus zunächst einzelnen Bausteinen von Unternehmen und Denkfabriken ein städtisches Wirtschaftsgebiet zusammenwächst, sollte man anspruchsvoll daran anknüpfen.